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Mit dem Handbike rund um den Hochkönig

am 21.7.2017

Mit dem Radl rund um den Hochkönig. Von daheim, Bad Reichenhall, aus. Eine großzügige Tour. Vor ewigen Zeiten, als ich noch mit Rennrad unterwegs war, dachte ich manchmal daran, verwarf es aber immer wieder, viel zu weit. Im letzten Jahr kam mir die Sache wieder in den Sinn. Die Hochkönig-Runde mit dem Handbike. 150 Kilometer, und einiges an Höhenmetern. In einem Tag? Das wird eng. Wie vorgehen? Den Schlafsack mitnehmen und irgendwann einfach losfahren? Unterm Hochkönig gibt’s viele Almwiesen, da könnte ich die Nacht verbringen und am nächsten Tag weiterfahren. Ein Abenteuer. Das Jahr verging, schließlich war es zu spät. Aber wenn so ein Projekt mal im Kopf drin ist, dann geht es nicht mehr einfach raus. März dieses Jahres. Mein geschätztes Golfwägelchen beendete unsere Beziehung abrupt wegen Motorschadens. Folge war, dass ich sämtliche Radtouren von daheim aus starten musste, auch die mit ansonsten längerer Anreise. So ergaben sich zwangsläufig Touren mit ganz passabler Kilometerlänge. Schließlich ging mir das Projekt Hochkönig wieder im Kopf um. Vielleicht gings ja doch an einem Tag? Eine schöne Selbsterfahrung wäre es jedenfalls. Einen ganzen langen Tag an der Kurbel drehen. Eine Auseinandersetzung mit „ich will nicht mehr“, vielleicht „ich kann nicht mehr“, aber auch eine schöne Landschaft und die Nähe des höchsten Gipfels der Berchtesgadener Alpen. Erinnerungen an wundervolle Ski- und Klettertouren. Schließlich das unmissverständliche Gefühl: es ist Zeit! Jetzt oder nie.

Freitag wäre ein guter Tag. Leider ist das Wetter ziemlich instabil. Dass sich am Donnerstag Abend ein Riesengewitter entlädt, dem mein schöner neuer Blumentopf zum Opfer fällt, Scherben, halte ich für ein gutes Zeichen. Da wird doch nicht am nächsten Tag gleich wieder so was kommen. Am Abend packe ich ein paar Sachen zusammen. Meine leichtesten Unterhemden, ein paar Energieriegel, ein Fläschchen Cola, ich achte auf jedes Gramm.

Um 4.15 in der Früh fahre ich los. Die Rampe der Tiefgarage hoch beschleicht mich ein eigenartiges Gefühl. Irgendwie klein komme ich mir vor. Die paar Höhenmeter muss man schon ganz ordentlich kurbeln. Lächerlich im Vergleich zum dem was noch kommt. Oje. Nur mit diesen Armen will ich um den Hochkönig rum?! Einen größeren Geldbetrag für eine evtl. Taxifahrt hab ich vorsichtshalber auch eingesteckt. Aber jetzt erst mal los!

Noch ist stockdunkle Nacht. Ich fahre durch die Reichenhaller Fußgängerzone, die ist beleuchtet und Polizeistreife kommt auch keine daher. Auf der Steigung nach Kibling versuche ich, den Zustand meiner Arme einzuschätzen, man kann noch nicht viel sagen. Am Saalachsee entlang wird’s langsam dämmerig, ich fahre langsamer als sonst, spare meine Kräfte. Einfach immer weiterfahren, nicht schnell, aber immer weiter... Hinter der Fronau muss ich ein paar Kilometer auf der Hauptstraße fahren, die LKW fahren ziemlich flott in der Früh, niemand rechnet mit einem Handradfahrer, aber es hilft nichts. Hinter Schneizlreuth das Sträßchen an der Saalach entlang bin ich wieder allein, kein Mensch ist unterwegs um die Zeit.

Nach Lofer dauert es immer länger als man glaubt, ich kenne das schon, 25 Kilometer, aber viel auf Sand, da läuft es einfach nicht so. Bald 7 ist es schon. Ich fahre gleich weiter. Auf dem asphaltierten Radweg das Saalachtal hinein geht es viel besser.

Die Steigung vor Saalfelden war mir nicht klar, ob ich auf der Hauptstraße fahren muss, zum Glück findet sich ein netter Radweg. Saalfelden wird links umfahren, ich folge der Beschilderung nach Maria Alm. Durch Ramseiden geht’s, hier war ich noch nie. Schön, wenn man sogar in der Heimat immer wieder unbekannte Orte kennenlernen darf. Wozu soll man in der Weltgeschichte herumreisen? Leider hört der Asphalt auf und ich komme zu einem Sandweg an einem Golfplatz entlang mit einer reichlich unangenehmen Steigung. Nach Maria Alm geht’s wieder hinunter. Blöd, den Umweg, besonders die Steigung hätte ich mir sparen können. Einen kleinen Zeitverlust bedeutet das Ganze auch. Aber jetzt bin ich da. Etwa 50 Kilometer liegen hinter mir. Maria Alm ist ein rechtes Touristenkaff, aber von irgendwas müssen die in den Gebirgstälern ja auch leben.

Bei der Talstation vom Aberg-Lift mach ich die erste kurze Pause. 9.45 Uhr ist es mittlerweile geworden. Weiter geht es zunehmend bergauf. Die Straße ist eher schmal, viele Touristen und auch Lastwagen sind unterwegs, nicht so lustig. Um kurz vor 11 komme ich nach Hinterthal, immerhin schon 1000 Meter hoch. Heiß ist es mittlerweile geworden, eine kleine Pause mach ich, bei einem Haus schenkt mir einer ein Glas Wasser ein. Die mäßige Steigung endet hier, 15% steht auf dem Schild. 300 Höhenmeter. Klingt nicht so wild. Aber es geht zäher als gedacht, ich muss öfters stehen bleiben, es wird auch nicht recht flacher, oben bin ich ziemlich fertig, drehe immer genau 15 mal an der Kurbel, bis ich wieder stehen bleibe – und das ist nicht weit. Schließlich wird’s doch flacher und endlich steh ich oben am Filzensattel. (1290 m).

Ziemlich genau um 12 Uhr. Ich mach eine Pause, trinke mein Colafläschchen leer und verspeise einen Energieriegel. 0,5 Liter Coca Cola und ein Glas Wasser bis hierher, das ist nicht viel. Lang halte ich mich nicht auf. Drüben geht’s 200 Höhenmeter runter und gleich wieder hoch zum Dientner Sattel. Die Steigung ist wesentlich angenehmer, zum Glück haben sich auch meine Kräfte wieder einigermaßen erholt, es geht deutlich besser. Zumindest bis ziemlich weit hinauf. Oben wird es wieder mühsam. Die Auseinandersetzung mit „ich will nicht mehr“ klingt daheim am Kanapee jedenfalls wesentlich interessanter als es in der Praxis dann ist. Um 13.15 steh ich oben am Dientner Sattel (1370 m). Ziemlich kaputt, in einem Hüttchen kauf ich mir erst mal was zu trinken.

Wieder halte ich mich nicht lang auf. Das Gröbste hätten wir. Jetzt geht’s erst mal ewig lang bergab. Über Mühlbach nach Bischofshofen. So an die 20 Kilometer nur bergab. Genau richtig. Weiter geht’s in Richtung Werfen. Dort wartet der erste von zwei nicht unerheblichen Gegenanstiegen. Der liegt voll in der Sonne, die ihr bestes gibt, mich gänzlich auszudörren. Danach geht’s runter nach Tenneck und weiter auf der alten Salzachtalstraße in Richtung Pass Lueg. Auf der breiten Straße geht’s entweder leicht bergauf oder leicht bergab. Die Steigungen sehen harmlos aus, ziehen sich aber elendiglich. Und die Hitze ist grandios. Schließlich die zweite Steigung beim Pass Lueg. Mühsam ist keine Übertreibung. Oben leg ich nochmal eine Pause ein, ein Energieriegel wird runter gewürgt, dann geht’s nach Golling hinunter.

Auf dem Tauernradweg auf der linken Seite der Salzach geht’s weiter nach Hallein. Ein paar Steigungen gibt’s da auch, aber es geht wieder ganz gut. In Hallein hab ich einen Riesenhunger, was einen nicht zu wundern braucht. Außer ein paar Energieriegeln hab ich den ganzen Tag so gut wie nichts gegessen. Das Baguette in einer Altstadtkneipe entstammt der Tiefkühltruhe, egal. Weiter. Hallein ab 18.00 Uhr. Nach der Einkehr geht es mir wieder gut, ich fühle mich frisch und komme flott voran. Grödig – Glanegg – Fürstenbrunn, hier kenn ich mich bestens aus. Eine letzte Steigung nach den Goiser Wiesen in Richtung Großgmain. Vor der grauste es mir, aber auch hier geht’s mir viel besser als gedacht.

Nur noch ein paar Kilometer. Schon länger zogen dunkle Wolken herum. Das heftige Gewitter kommt dann ganz plötzlich. Weit und breit kein Haus zum Unterstellen. Eine Zeitlang geht’s noch. Ein heftiger Sturm lässt den Regen nicht von oben kommen sondern von der Seite, und ein Busch schützt mich einigermaßen. Es blitzt ganz nah, der Donner kracht. Aber einen der mit dem Handrad rund um den Hochkönig gefahren ist, wird man so kurz vor dem Ziel nicht vom Blitz erschlagen lassen. Das wäre eine Riesenschweinerei! So denke ich mir nichts. Der Wind lässt nach, der Regen kommt jetzt von oben. Meine dünne Regenhaut hält genau fünf Sekunden dicht. Kapuze hat sie auch keine. Ob ich hier bleibe oder weiterfahre ist egal, ich werde auf jeden Fall durchnass. So fahre ich weiter. Glücklicherweise hört der strömende Regen nach einigen Minuten so unerwartet wie er gekommen ist wieder auf. Der Boden hat die Hitze des Tages gespeichert und ich fahre die letzten Kilometer in wabernden feuchtwarmen Dämpfen die über dem Asphalt aufsteigen.

Um halb Acht komme ich wieder daheim an, müde aber auch glücklich, dass die Sache so gut geklappt hat. Und das auf meine alten Tage. In vier Wochen werd´ ich schließlich 60...

Tachometer besitze ich keinen, aber ein Rennradler, der die Tour im Internet veröffentlichte, kam auf 150 Kilometer und über 2500 Höhenmeter. Die Kilometer dürften ziemlich genau stimmen, die Höhenmeter? Wenn man jeden Meter, den man irgendwo hinauf oder hinunter fährt, berücksichtigt, was diese Satelliten-unterstützten Tachos, mit denen heute alle herumfahren, es aufzeichnen, mag es wohl stimmen.

A.H. 07/2017

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