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Die wahren Abenteuer sind im Kopf und sind sie nicht im Kopf

dann sind sie nirgendwo

                                       (André Heller)


Pamela

Lang ist´s her. Ein wunderbarer Nachmittag im Sommer. Wieder einmal war es mir nach der Watzmann Ostwand, damals, in der Blüte meiner Jugend. Das Hagengebirge lag im letzten Sonnenlicht, als ich nach etwa drei Stunden flotten Steigens zur Biwakschachtel kam. Von weitem sehe ich schon, daß die Klapptür offensteht. Was waren da wieder für Schlamper unterwegs! Ich erreiche das Biwak. Höchste Zeit für eine kleine Brotzeit, auch will ich mich in´s Buch eintragen.

»High...« tönt mir eine Piepsstimme entgegen. Kaum zu glauben, da sitzt eine in der Biwakschachtel, ganz allein wie ein scheues Vögelchen, und weiß nicht so recht was sie von meiner Anwesenheit halten soll... Als ich mich niederlasse, steigt sie heraus und setzt sich in gebührendem Abstand neben mich.

»What is your name?« fragt sie. Albert. Sie wiederholt den Namen, wobei sie das A wie ein Ä, das e wie ein langezogenes ö ausspricht »Älböört...« und mich freundlich anlächelt...

Ob sie ganz allein hier sei und ob sie übernachten wolle, frage ich. »Yes«, nickt sie.

Bei der Dame handelt es sich anscheinend um eine Amerikanerin.

Ich frage nach ihrem Namen: »Pamela... Pamela Anderson... «

Ich schlucke erst einmal. Das darf doch nicht wahr sein... Pamela Anderson hier?

So nach und nach berichtet sie dann, daß eine Besteigung des »East-Wall of Watzmann« schon von Kindheit an ihr Traum gewesen sei. Für eine Woche habe sie sämtliche Foto- und Filmtermine unterbrochen und sei heimlich nach Bavaria gereist, um sich diesen Traum zu erfüllen. Ihr Manager habe ihr drei einheimische Bergführer organisiert, mit denen sie am Morgen über den See gefahren sei, mit Perücke und Schlabberhosen, um nicht dauernd von den Touristen begafft zu werden. Den ganzen Tag seien sie aufgestiegen, hätten aber länger gebraucht als vorgesehen. Hier bei dieser »lovely little cabin« habe sie absolut keine Lust mehr gehabt weiterzugehen. Wo denn ihre Führer geblieben wären, frage ich.

Ein gewisser »Tschembschei«, ein »nice looking bavarian fellow«, habe heim müssen. Er habe per Handy mit seiner Frau telefoniert, und die habe ihn, als sie erfahren habe, wer die über Nacht zu betreuende Person gewesen sei, unter Androhung schlimmster Konsequenzen nach Hause beordert.

Vom zweiten Führer wisse sie nur den Vornamen: Rudi. Er habe den ganzen Tag trotz größter Hitze nie sein Käppi abgenommen und wenig gesagt, oder besser gesagt überhaupt nichts außer »öha«, als sie einmal gestolpert war. Außerdem habe er den ganzen Tag seine Pfeife nicht aus dem Mund genommen. Der wäre wohl hiergeblieben, aber das wollte sie nicht, weil sie Angst gehabt habe, daß er die ganze Nacht weiter geraucht hätte und sie dann in der Biwakschachtel an dem Qualm ersticken hätte müssen.

Der dritte, ein gewisser Woof Bälzer oder so ähnlich, wäre wohl auch dageblieben, aber der habe hinter ihr gehend ihr die ganze Zeit auf´s Gesäß geschaut und zur rechten Zeit auch auf den Busen, wie ihr nicht entgangen sei. Das sei ihr verdächtig gewesen und so habe sie gesagt, daß sie am liebsten doch ganz allein hier bleiben wolle, zumal mit weiteren Besuchern ja sowieso nicht zu rechnen sei. Auf 11.00 Uhr Vormittag habe sie die Führer wieder herbestellt, vorher stehe sie nie auf. Wie sie allerdings da so allein im Hochgebirge gesessen sei, sei die Ruhe ihr immer unheimlicher geworden und so habe sie sich in die Biwakschachtel zurückgezogen. Und da sei ich gekommen. Und jetzt sei sie direkt ein bißchen froh darüber, sagt sie, und ob ich nicht bleiben könne. Viel hatte ich schon erlebt in der Watzmann Ostwand: Steinschlag, Eisschlag, Hitzschlag, Preussen in Plastikbergstiefeln, die nicht mehr vor und zurück kamen. Aber daß mich Pamela Anderson um nächtliche Gesellschaft bitten könnte, das hatte ich mir nicht einmal im Traum vorstellen können. Da ich für den nächsten Tag noch nichts ausgemacht habe, kann ich ihr den Gefallen schon tun.

Spät ist es mittlerweile, über dem Schneibstein ist der Vollmond aufgegangen. Eine Weile sitzen wir da, keiner sagt was. Plötzlich fragt sie, ob es mir etwas ausmachen würde, wenn sie ein Vollmondbusenbad nehmen würde. Selbstverständlich nicht, sage ich. Das sei „very healthy“, meint sie und für ihren Busen gebe es nichts Besseres.

Gesagt, getan. Schon ist sie aus Jacke und T-Shirt geschlüpft. Ein bißchen zögert sie, bevor sie mich fragt, ob ich ihr den Sport-BH mit den gepolsterten Trägern aufmachen könnte. Aber klar doch. Das Patent ist unkompliziert und ich kriege ihn zum Glück auch gleich auf. Sie wendet ihre gigantische Oberweite gen Osten und schließt genießerisch die Augen.

Ich schiele unauffällig ein bißchen hin und denke mir: „Wie hat diese zierliche Person diese Euter bis hier heraufgebracht?!“

Bald wird es kühl und wir verdünnisieren uns ins Schachtelinnere. Sie bleibt gleich oben ohne, als sie sich für die Nachtruhe noch etwas frischmacht und ein atemberaubendes Parfüm auflegt. Als Schlaftrunk steht eine Flasche Moet Chandon zur Verfügung, die die Bergführer zurückgelassen hatten. Wir plaudern noch ein bißchen, ich erzähle ihr vom Klettern und Skifahren. Dann blasen wir die Kerzen aus.

Kurz danach, ich schlafe schon, höre ich ihre Stimme. Sie friere an der Brust und bitte um Erwärmung. Na ausnahmsweise. Ich lege meine Hand auf, die Brust ist tatsächlich ganz kühl und fühlt sich irgendwie eigenartig an, ungefähr so wie ein lauwarmer Leberkäs.

Nach einiger Zeit wird es besser, von der Temperatur her, wie auch von der Griffigkeit. Ab einer gewissen Erwärmung wird der Busen formbar wie Brezelteig und behält seine Form ziemlich. Ich richte ihn ihr ein bißchen nach oben, so wie es meiner Meinung nach nicht schlecht ausschaut. Ist es recht so? frage ich. »It is much better, thank you very much...«

Man liest ja viel von diesem Silicon, jetzt weiß ich also auch wie das ist.

Ich ziehe meine Hand ein und schlafe weiter, besser gesagt will weiterschlafen, merke aber wie sie irgendwie unruhig wird neben mir. Andauernd raschelt sie unter der Decke. Ich merke, wie sie zu mir rüberrutscht, stelle mich aber schlafend. Sie könne nicht schlafen, sagt sie. In meinem besten Englisch versuche ich, ihr zu erklären, daß ich mich, trotz abgeschlossenem Psychologiestudium, bisher weder mit der Theorie noch mit der Praxis weiblicher Einschlafstörungen beschäftigt habe und ich ihr somit leider auch nicht weiterhelfen könne. Plötzlich, ich weiß gar nicht wie mir geschieht, umschlingt sie mich mit ihren Armen und knabbert an meinem Ohrläppchen.

Leise flüstert sie mir ins Ohr, daß sie im Grunde ihres Herzens immer schon auf schüchterne Männer gestanden sei. Außerdem habe sie immer schon eine Vorliebe für Bergsteiger gehabt, die letzten richtigen Männer, die es noch gibt, da sei sie sich schon lange sicher. Sie könne gar nicht sagen, wie sehr sie die Nase voll habe von den ganzen Hollywood-Schnöseln, texanischen Ölmilliardären und anderen Lackaffen, die pausenlos hinter ihr her wären. Was mich betrifft: Sie könne und wolle sich nun nicht mehr beherrschen. Und schon küsst sie mich dass ich kaum noch Luft kriege. Mit Müh und Not gelingt es mir, hin und wieder den Kopf freizubekommen, bevor es mir schwarz vor den Augen wird.

Draußen lösen sich Steinlawinen. Die Biwakschachtel schaukelte und bebte, das Stahlblech knitterte und schlug Wellen. Größte Bedenken hatte ich um die Verankerung. Wäre sie wirklich lockergeworden und wir wären mitsamt der Blechkiste die zweitausend Meter ins Eisbachtal hinuntergefallen, wir hätten es wahrscheinlich gar nicht bemerkt.

Am Montag stand dann in der Zeitung, dass im Seismographischen Institut in München Erdstöße im Gebiet des Watzmann aufgezeichnet worden seien. Das Epizentrum des ersten Watzmannbeben seit Menschengedenken, dessen Stärke immerhin 3,5 auf der nach oben offenen Richter-Skala erreicht habe, müsse sich in unmittelbarer Nähe der Südspitze befunden haben. Der Königssee habe 1,5 Meter hohe Wellen geworfen, Gott sei Dank nach Einstellung der fahrplanmäßigen Schiffahrt. Lediglich ein Fischer habe einen leichten Schock davongetragen. Nach Erstversorgung mit Graßl-Gebirgsenzian sei dieser mittlerweile aber wieder wohlauf. Nach Angaben eines Sprechers der Nationalparkverwaltung hatten sich viele Verankerungen des Klettersteiges am Watzmanngrat gelöst und mußten in stundenlangem Einsatz der Ramsauer Bergwacht neu befestigt werden. Sogar das Gipfelkreuz auf der Südspitze habe Schieflage eingenommen und mußte neu adjustiert werden. Die Überschreitung des Watzmann mußte für einige Stunden in beide Richtungen total gesperrt werden. Eine Erklärung für diese Naturvorgänge stehe noch aus, vermutet werde der Einsturz einer unterirdischen Salzhöhle.

Aber wie gesagt, das las ich erst später.

Irgendwann, es war wohl weit nach Mitternacht, wurde auch Pamela müde. Ruhig neben mir liegend fragt sie mich, ob sie mir ein Geheimnis anvertrauen dürfe. Natürlich, sage ich. Sie habe noch nie einen richtigen Höhepunkt gehabt, flüstert sie mir ins Ohr, dieses sei ihr erster gewesen. Und ob ich es nicht noch einmal machen könne. Kruzitürken. Mit Müh und Not kann ich sie davon überzeugen, daß ich zehn Minuten Pause benötige.

Wir schlafen dann aber doch ein, aneinandergekuschelt wie zwei unschuldige Kinder.

Am nächsten Morgen breche ich um 8.00 Uhr auf. Mit letzter Kraft erreiche ich die Südspitze und wie in Trance die Wimbachgrieshütte. Fünf Red Bull bauen mich soweit auf, daß ich wenigstens langsam weitergehen kann. Verwundert schauen mich die Touristen an. So einen müden Wanderer hatten sie noch nie gesehen.

Den Rest des Wochenendes verbrachte ich am Thumsee und überlegte mir, ob ich das alles nicht doch bloß geträumt habe.

Von da an habe ich mir natürlich jede Folge von Bay Watch angeschaut, habe keine einzige mehr versäumt. Weil alle ja doch bloß auf den roten Badeanzug von Pamela Anderson glotzen fällt es wahrscheinlich keinem auf außer mir, daß sie in jeder Folge einmal ganz kurz in die Kamera blinzelt. Wem es überhaupt auffällt, der kann sich keinen Reim darauf machen, nur ich weiß, daß sie die Nacht am Watzmann nicht vergessen hat, unsere Nacht, meine Pamela.


                                                                                                                 Phantasiert in der Unfallklinik Murnau

                                                                                                                                                          02/1999


Bilder

1 Die Biwakschachtel (2380 m) in der Watzmann Ostwand. Die winzige Blechkiste inmitten von Abgründen

rettete bei Wetterstürzen viele Menschenleben. Aus alten Flugzeugteilen 1951 gefertigt, wurde

sie erst 2003 durch eine neue Konstruktion ersetzt.

2 Sonnenaufgang in der Watzmann Ostwand.

3 Blick aus der Einstiegsluke. Im Hintergrund der Hochkönig.

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