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Anmerkung

Erinnert und aufgeschrieben wurde diese Begebenheit, an die ich mich immer wieder gern erinnere, im April 2017

Langlaufen mit Gaby (und Hund)

Beim Schöndorfer Fitnesstraining war ich auf sie aufmerksam geworden. Figur und Gesamterscheinung der jungen Brigitte Bardot nicht unähnlich. Ich ging damals oft zum Schöndorfer. Sie vermutlich ein wesentlicher Grund. Lange glotzte ich bei meinen Übungen immer möglichst unauffällig zu dem Laufband rüber, wo sie trainierte. Irgendwann ergab sich dann ein Anlass, sie anzusprechen, wenn ich mich recht erinnere war es der Vorwand mir meinen Pullover vom Fensterbrett zu holen, was sie freundlich erledigte. Ein Kinobesuch mit anschließendem Vierterl beim „Fidelen Affen“ in Salzburg mündete dann in eine nicht unkomplizierte Beziehung. Der Film handelte von einem psychologischen Experiment, das völlig aus dem Ruder lief, aber das nur am Rande.

Wir machten dann viele Radtouren und hatten auch schöne Zeiten.

Einmal waren wir in Griechenland. Auf einer einsamen Straße in den Hügeln von Mani, ziemlich öde Gegend, ein abgelegter Karton neben der Straße. Im Rückspiegel sah ich gerade noch dass sich da irgendwas bewegte. Ich legte den Rückwärtsgang ein, aus dem Karton kraxelte gerade einer von vier neugeborenen Hunden raus, in der Größe eines Meerschweinchens. Oje. Was tun? Gut zu Hunden war ich nie, aber hier blieb einem fast nichts anderes übrig. Wir mussten die mitnehmen. Noch dazu weil bei Gaby sofort Mutterinstinkte von ungewöhnlicher Heftigkeit geweckt wurden. Ein Wäschekorb wurde zum Hundekorb umfunktioniert und da saßen die Hündchen auf einem Handtuch drin. Flöhe hatten sie auch, und die nicht wenige, wie sich bald herausstellte.


Im nächsten Ort bekamen wir dann zum Glück drei Hündchen los. Eins blieb.

Gut fürs Hündchen. Für mich weniger. Der Hund war sogleich Gabys Nummer Eins. Kindchenschema zieht immer. Absorbierte sogleich sämtliche Formen von Zuwendung. Mist. Und das nicht nur in den verbleibenden Tagen des Urlaubs, nein, leider wurde das daheim auch kaum besser. „Wer die Männer kennt, liebt nur noch Hunde“, sagen ja manche Hundebesitzerinnen. Im nächsten Leben werd ich jedenfalls Hund, wenn ich es mir aussuchen kann. Aber soweit sind wir noch nicht.

Der Hund wurde Buzi getauft und er behielt diesen Namen auch als er dann größer und größer wurde. Keiner wusste wann das aufhört. Auch über die Eltern des Hundes konnten nur Vermutungen angestellt werden. Vermutlich war ein Golden Retriever beteiligt. Wie dem auch sei, irgendwann, in mittlerer Hundegröße, war Buzi ausgewachsen. Und er lebte mit Gaby in Gabys Personalwohnung. „Nein, da sitzt der Hund, du sitzt da drüben“, sagte Gaby einmal zu mir, als ich zum Fernsehen kam und mich aufs Kanapee hocken wollte mit gutem Blick auf die Glotze. Es war nicht immer einfach. Filme mit Hunden schaute der Hund am liebsten an. Da fing er aus Begeisterung sogar zu bellen an. Die Jahre vergingen und jetzt komme ich zu der Geschichte, die ich eigentlich erzählen möchte.

Gaby mit Hund stellte sich das Langlaufen auch schön vor, besonders weil da der Hund mit konnte. Anders als am Skilift. Dass Hunde in Langlaufloipen unerwünscht sind, weil sie, wenn sie müssen (groß müssen), das gern in der Spur erledigen und wenn dann das Spurgerät drüberfährt, das nicht so appetitlich ist, ist eigentlich verständlich. Gaby vermochte derartigen Regelungen allerdings wenig Berechtigung zugestehen. Wenn Menschen in Langlaufloipen sein durften, warum dann nicht auch Hunde? Egal, das war das kleinere Problem bei der Unternehmung von der ich hier berichte.

Die Beziehung zu Gaby war grundsätzlich kompliziert, aber manche Männer brauchen das, sagt man. Nun gut, wenn dicke Luft herrschte, war das Anliegen gemeinsamer Wochenendbetätigungen sowieso gering. Bei entspannter Lage kam aber die Frage auf, was man unternehmen könnte, wo der Hund auch mit kann.

Langlaufen schien gut geeignet. Buzi konnte uns nachtraben, vielleicht ein bisschen voraus laufen, und wieder zurück, wie das Hunde eben so machen. Warum nicht? So hatte jeder was davon. Wir unseren Sport und der Hund seinen Auslauf. Ideal. Gesagt getan. Mit meinem Auto fuhren wir nach Inzell zur Filzenloipe. Gaby, der Hund und ich.

Wie immer wenn man stehen blieb und die Autotür aufmachte, war Buzi nicht zu halten und lief erst einmal davon, mehr oder weniger weit. Regelmäßig. Da Gaby unerschütterlich daran glaubte, dass das Tier irgendwann einmal aus Vernunft oder besserer Einsicht von derartigem Fehlverhalten Abstand nehmen würde, war das immer das gleiche. Autotür auf, Hund weg. Dass man dieses Ärgernis durch Anleinen des Hundes ziemlich einfach jeweils vermeiden hätte können, widersprach Gabys Grundeinstellung bezüglich des Zusammenlebens von Mensch und Hund, oder besser gesagt: Hund und Mensch.

So auch am Parkplatz von der Filzenloipe. Der Hund war dahin und alles Schreien von Gaby half nichts. „Da muss wo eine läufige Hündin sein“ sagte sie, „nur dann macht er das und da kann man nichts machen“. Dass an jedem Parkplatz eine läufige Hündin in der Nähe sein sollte, daran wollte ich nicht glauben. Aber wenn ich es gesagt hätte, hätte es auch nichts genutzt, weil der Hund davon auch nicht zurückgekommen wäre.

Irgendwann, nach mehr oder weniger langer Zeit, wie es Buzi eben beliebte, kam er dann doch immer wieder zurück. Diesmal dauerte es eher länger. Nun gut, anstatt dem Hund mal eins zu verpassen, wurde er von Gaby gestreichelt und liebkost. Als Ausdruck ihrer Freude und Dankbarkeit, dass er überhaupt wieder zurück gekommen war. Nun konnte es also losgehen. Ich mit meinem Langlaufschlitten, Gaby mit ihren Leihlanglaufskiern. Und der Hund. Lief eine gewisse Zeit in unserer Nähe. Dass er natürlich bald in die Spur schiss, wie ich es mir gleich gedacht hatte, störte nur mich. Gaby und der Hund betrachteten es als Ausdruck natürlicher Notwendigkeit.

Reizvoll durch ein lichtes Birkenwäldchen führt die Spur im Sonnenschein, immer wieder schön. Am Umkehrpunkt bei einer Brücke das gleiche wieder: Der Hund war weg. Spurlos verschwunden. Wieder hallten Gabys Rufe in alle Himmelsrichtungen. Diesmal dauerte es noch länger. Wo und wie Gaby Buzi zur Rückkehr animieren konnte, bekam ich nicht mit. Ich sonnte mich derweil. Als sie schließlich wieder daherkamen, blieb mir eine gewisse Genervtheit in Gabys Mimik nicht verborgen. Ihr Glaube an Buzis gesunden Menschenverstand schien vorübergehend erschüttert. Was tun? Der Hund musste an die Leine. Das war klar. Da aber Gaby ihre Hände für die Stöcke benötigte, wurde die Leine mit Hund an meinem Langlaufschlitten befestigt. Ich sah schwarz, aber der Hund lief mir anstandslos nach. Nicht vor mir, und nicht neben mir, nein brav hinter mir, in angemessenem Abstand. Kaum zu glauben, das ging ja besser als gedacht.

Bei einem Gefälle über wenige Höhenmeter, aber mit leichter Kurve, gleich daneben ein Bach, hatten wir, der Hund und ich, uns einen kleinen Vorsprung erarbeitet. Mein Schlitten nahm Fahrt auf, der Hund kapierte das aber nicht und lief nicht schneller wie zuvor. Folge: Die Leine spannte sich, der Hund hing hinten dran, den schmiss es zuerst, dann mich, als die Leine meine Fahrt blockierte. Der Schlitten und ich fielen um, was nicht weiter dramatisch gewesen wäre. Eher ungünstig war, dass der Hund auf der einen Seite der Spur, ich auf der anderen Seite zum Liegen kamen. Die Leine wie ein Fangseil dazwischen. Dann kam Gaby. Als sie die Lage überblickte, war es zu spät. Ihre Ski hatten bereits Fahrt aufgenommen und Gaby begann, um Geschwindigkeit zu reduzieren, mit den Armen zu rudern, was wenig nutzte.

Bis zur Leine ging alles gut. Physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgend führt das abrupte Abbremsen bewegter Massen jedoch zu deren Destabilisierung und dann ist da auch noch die Schwerkraft. Und die zwang Gaby unsanft in den Schnee. Der Schnee war weich, passiert ist nichts, was aber Gaby, kaum zu Fall gebracht, nicht daran hinderte einen Schreikrampf zu entwickeln, der sich gewaschen hatte. Schreikrämpfe kamen bei ihr nicht oft vor, aber wenn, dann gute Nacht! Das Aufstehen auf wackeligen Langlaufskiern in schiefen Ebenen ist für Ungeübte nicht einfach. Das ist klar. Unter Ausstoßung grässlichster Verwünschungen und Flüche kam Gaby schließlich doch auf die Beine.

Auf der anderen Seite des Baches ein Spazierweg für Fußgänger. Zwei harmlose Winterwanderer fortgeschrittenen Alters kamen gerade vorüber. Die blieben stehen, wie angewurzelt, unfassbar, was sich da auf der anderen Seite des Baches vor ihren Augen abspielte. Einen Behinderten-Langlaufschlitten hatten sie wohl noch nie gesehen, auch nicht eine Frau die so schreien konnte.

Langsam sortierten wir uns, lösten das Knäuel aus Langlaufschlitten, Menschen, Leine und Hund. Schließlich ging es weiter. Aus einiger Entfernung schaute ich noch einmal zurück. Wie zu Salzsäulen erstarrt standen die Spaziergänger immer noch an der gleichen Stelle.

                                                                                                                                                                      A.H. 04/2017

Die Filzenloipe in Inzell 

So sah Buzi aus als er noch ganz klein war 

Da war er dann schon ein bisschen größer 

Locus of Tragedy

Und so schaut ein Langlaufschlitten aus 

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