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Anmerkung

Der Text erschien schon damals in "handbike.de" 

Handbiketouren im Elbsandsteingebirge 2015

1997. Ziemlich gleichzeitig waren wir verunfallt. Toni und ich. Ihn hatte als Radfahrer ein Auto erwischt. Ich fiel beim Klettern runter. Bei beiden mit Folge Querschnittlähmung. „Frischverletzt“, wie man so sagt, hatten wir uns in der Unfallklinik Murnau kennengelernt. Fortbewegung nur mit Rollstuhl. Am Anfang unvorstellbar. Das ist lang her. Heute sind wir beide begeisterte Handbiker. Einmal im Jahr unternehmen wir gemeinsam was.

Donauradweg, Murradweg, vom Reschenpass nach Verona, rund um den Bodensee und andere Touren sind schöne Erinnerungen. Im Internet war Toni auf die Seite eines gewissen Veit Riffer gestoßen. Kaum zu glauben, was der mit seinem Handbike alles gefahren ist! Toni hatte über email Kontakt aufgenommen. So entstand die Idee, dem Veit in seiner Heimat, dem Elbsandsteingebirge, mal einen Besuch abzustatten.

Pfingsten war es dann soweit. Weit ist es ja schon vom Berchtesgadener Land, dem südöstlichsten Winkel der Republik, nach Bad Schandau, Sachsen. Etwas kürzer ist die Strecke für Toni von Augsburg her. Aber an die 500 Kilometer sind es immer noch! Wie dem auch sei. Am Samstag 23. Mai, Mittag, treffen wir uns im Hotel in Bad Schandau, dem Luftkurort des Elbsandsteingebirges. Toni und Gitti, Ingrid und ich. Nach der Vertilgung mitgebrachter Essensreste aus dem Kühlschrank daheim beschließen wir, dass zur Einstimmung ein Stück des Elbradweges genau richtig ist. Ruhig und beschaulich fließt nah am Hotel die Elbe, der Radweg ist reizvoll angelegt. Leider endet er auf der Seite an der tschechischen Grenze gleich hinter Schmilka. So fahren wir auf der Straße weiter nach Dêcin (Tetschen). Erst dort findet sich eine Brücke. Am anderen Ufer fahren wir auf dem durchgehenden Radweg zurück. Sehr schön! 49 Kilometer waren genau richtig zum Einfahren.

Am nächsten Morgen treffen wir uns um 9 Uhr mit Veit beim Hotel. Er hat schon 20 Kilometer mit dem Handbike hinter sich. Am Tag zuvor ist er 215 km gefahren, was man ihm aber nicht anmerkt. Er meint, dass er in der Früh schon etwas müde ist nach so einer Unternehmung, was aber sogleich wieder verfliegt sobald er auf seinem Handbike sitzt. Komisch, bei mir verhält sich das genau umgekehrt! Egal: Veit hat für uns eine der schönsten Touren seiner Heimat ausgewählt: Das Kirnitzschtal. Den Schienen der gleichnamigen Bahn folgend geht es in einem Tempo, dass mir gleich gut warm wird, zur Endstation beim Lichtenhainer Wasserfall. Weiter folgen wir der asphaltierten Straße. Als die Steigung zunimmt, geht es zum Glück rechts ab ins eigentliche Kirnitzschtal. Landschaftlich großartig führt ein sandgebundener Weg am Bach entlang. In den umliegenden Waldhängen sind einige der über tausend freistehenden Felstürme des Elbsandsteingebirges zu bewundern. Ein phantasiebegabter Künstler könnte sich keine groteskeren Formen ausdenken! Wir befinden uns im Nationalpark Sächsische Schweiz. Eine kleine Brücke markiert die Landesgrenze. Auf einem Forstweg fahren wir auf tschechischem Gebiet weiter durch ein kleines Waldtal. Ich bleibe etwas zurück, wobei ich allein die Stille und Urnatur des Waldes noch intensiver empfinde. Schließlich steilt sich das Gelände auf. Wo es ganz steil wird, warten Ingrid und Gitti. Zwar handelt es sich nur um ein paar Meter, aber die sind nass. Bei zuwenig Grip nützt alle Kraft nichts. Kurz werde ich geschoben, gleich oberhalb geht es wieder allein. Der höchste Punkt des Tages ist erreicht. Auf der anderen Seite geht es hinab bis zu einer Asphaltstraße, wo sich erfreulicherweise gleich ein Wirtshaus befindet. Nach einer kleinen Einkehr folgen wir der Asphaltstraße weiter bergab nach Hřensko. Am Elbradweg geht es zurück nach Bad Schandau.

Pfingstmontag. Die nächste Tour, die Veit für uns ausgesucht hat, führt ins Polenztal. Nur wenige Kilometer befahren wir eine Asphaltstraße, bis beim Wanderparkplatz Frinztalmühle ein sandgebundener Weg abzweigt. Landschaftlich dem Kirnitzschtal ebenbürtig folgt der Malerweg dem Bachlauf der Polenz. Auch hier urige Waldnatur und ringsum Türme aus Sandstein. Bei der Waltersdorfer Mühle wird der Weg schlechter, aber unsere Räder haben ausreichend Bodenfreiheit, sodass einige holperige Stellen keine Probleme bereiten.

Viel zu bald endet unser Weg und mündet in die Wartenbergstraße, eine frühere Motorradrennstrecke. Aufwärts sind zwei Fahrspuren ausgebaut und Rennfahrer sind auf der kurvigen Straße heute keine unterwegs, sodass genügend Platz für alle ist. Ich bemühe mich, auf den hundert Höhenmetern an Toni dran zu bleiben, was erfreulicherweise gelingt. Oben wird es wieder flach und wir halten uns in Richtung der Bastei. Ein Besuch dieses weltberühmten Aussichtspunktes am Pfingstmontag ist allerdings weniger empfehlenswert. Zu viele Leute. Wir halten uns nicht weiter auf. Die Abfahrt hinunter zur Elbe durch den Kohlgrund ist ein absolutes Highlight. Ganz nah stehen die Felstürme, teilweise fährt man zwischendurch. In Wehlen erreichen wir wieder die Elbe, setzen in Rathen mit der Fähre über und befahren den Elbradweg über Königstein zurück. Die letzten Kilometer vor Bad Schandau sind noch nicht ausgebaut. Der schmale Weg am Elbufer ist teilweise etwas schräg. Toni fällt einmal um, aber seiner robusten Natur kann das nichts anhaben.

Als es am nächsten Tag in der Früh regnet, besuchen wir das Nationalparkhaus in Bad Schandau. Durchaus interessant. Mittag hört es auf, was machen wir jetzt? Wir erinnern uns, dass Veit im Kirnitzschtal etwas von einer Strecke zum sogenannten Kuhstall erwähnt hat, wo wir hinfahren sollten, wenn wir uns mal richtig plagen wollen. Genau richtig für heute. Am Nachmittag fahren wir los, zunächst auf der bekannten Strecke neben den Bahngleisen. Schließlich bei einer Wiese die Abzweigung. Gleich am Anfang kommt die steilste Passage auf schlechtem Asphalt nah an der Haftgrenze der Antriebsräder. Aber es geht ohne Schieben. Auf dem sandgebundenen Sträßchen geht es weiter reichlich steil über 150 Höhenmeter hinauf. Der sogenannte Kuhstall ist ein eindrucksvolles Felsentor, in dem die Bauern in Kriegszeiten angeblich ihr Vieh versteckten, daher der Name. Eine freudige Überraschung: gleich nebenan steht ein Wirtshaus. Vor der Abfahrt stärken wir uns mit Linseneintopf und Bier. Wieder an der Kirnitzschtalstraße angelangt reicht es uns noch nicht und wir fahren noch nach Hinterhermsdorf hoch. Die Linsen setzen ungeahnte Kräfte in mir frei und ich kann die ganze Strecke wunderlicherweise mit dem mittleren Ritzel fahren. Was mich freut, weil der jüngste bin ich schließlich auch nicht mehr. Von Hinterhermsdorf fahren wir auf der gleichen Strecke zurück. Beim Hinunterfahren merkt man erst, wie das ganze Kirnitzschtal doch ansteigt. Über viele Kilometer rollen wir nur so dahin, ohne einmal an der Kurbel drehen zu müssen.

Am nächsten Tag ist ein Ruhetag angesagt. Etwas Kultur kann auch nicht schaden. So fahren wir nach Dresden und statten der Frauenkirche einen Besuch ab. Übereinstimmend stellen wir aber fest, dass Radfahren doch viel schöner ist.

Für den letzten Tag empfiehlt uns Veit den Hohen Schneeberg (Děčínský Sněžník), der auf tschechischer Seite mit 723 Meter der höchste Punkt des Elbsandsteingebirges ist. Toni hat die Strecke als Trek auf seinem Handy gespeichert. Viele Kilometer geht es durch Waldgebiete, aus denen ich allein nie mehr herausgefunden hätte, stets ansteigend dahin. Die letzten paar hundert Meter sind noch richtig steil, aber kein Problem. Oben steht ein Aussichtsturm und ein Wirtshaus. Die Terrasse liegt in der Sonne und wir haben einen prächtigen Ausblick über hügelige Wälder soweit das Auge reicht, tief drunten das Elbtal. Wie es hin nur bergauf ging, so geht es zurück über Ostrov und durch das Bielatal nun viele Kilometer nur bergab, herrlich.



Leider ist der Urlaub aus. Wir hätten es leicht noch ein paar Tage ausgehalten im schönen Elbsandsteingebirge. Letztlich bleibt mir nur noch, mich beim Veit für die wundervollen geführten Touren zu bedanken und ebenso für die Tipps. Vielleicht wird ja doch was mit einem Gegenbesuch im Berchtesgadener Land. Die Rossfeld-Höhenringstraße und das Kitzbühler Horn warten...

Text: Albert Hirschbichler

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