

Geschichten und Bilder
Homepage von Albert Hirschbichler
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Der Ausflug
Eine Geschichte mit mehreren möglichen Enden
(geschrieben nach dem Unfall, als ich noch nicht recht wusste für was ich noch da bin...)
Ein Rollstuhlfahrer steigt in sein Auto. Er startet. Er legt den Gang ein. Er weiß wo er hin will. Er kann seine Beine nicht bewegen. Er bedient das Auto mit den Händen. Er fährt über eine weite Ebene. Die Landschaft wird immer kahler. Die Sonne glüht vom Himmel. Ein Parkplatz am Rande des Abgrunds. Er hält. Unten ein See. Kein Geländer. Kein Mensch weit und breit. Der See glitzert wie flüssiges Silber. Er lädt seinen Rollstuhl aus. Er fährt nah an die Kante. Der Rollstuhlfahrer sitzt ganz ruhig. Er blickt über den See. Er blickt in die Weite. Die Sonne geht unter. Dämmerung macht sich breit. Es wird kühler. Schwarze Nacht schließlich. Der Rollstuhlfahrer sitzt reglos. Keine Sterne. Kein Mond. Kein Laut. Die Zeit ist stehengeblieben. Er ist allein auf der Welt. Er ist völlig gelassen. Er fürchtet nichts mehr.
Er löst die Feststellbremse des Rollstuhles. Er fährt einen Meter vor. Er stellt die Bremse wieder fest. Ringsherum alles schwarz. Er sieht keinen Boden mehr. Er ahnt die Tiefe. Die Kante das Ende der Welt.
Ende 1:
... Irgendwann reicht es ihm. Er fährt heim und geht ins Bett.
Ende 2
... Irgendwann reicht es ihm.
Er macht sich auf den Weg nach Hause.
Er fährt bis zum nächsten Bahngleis...
(nicht sehr originell)
Ende 3
... Eine ungeheure Gelassenheit ergreift den Rollstuhlfahrer.
Er löst die Feststellbremse noch einmal... Er hört ein Geräusch. Er dreht sich um.
Er sieht eine Frau, so schön wie er noch nie eine gesehen hat. Die Frau trägt ein schwarzes Kleid. Sie geht auf ihn zu, sie lächelt, kommt langsam näher. Sie steht neben ihm. Er berührt ihre Hand, spürt ihre samtweiche Haut, kann ihr Parfüm riechen. Sie beugt sich zu ihm. Er begehrt diese Frau wie er nie zuvor eine Frau begehrt hat. Ihr Mund nähert sich seinem. Er schließt die Augen. Die Frau gibt ihm einen sanften Schubs...
(auch nicht sehr originell...)
Ende 4
... Die Kante das Ende der Welt. Er löst die Feststellbremse erneut. Da hört er ein Geräusch. Er dreht sich um. Neben seinem Auto steht ein anderes Auto, scheinbar aus dem Nichts. Ein Porsche. Er hört eine Stimme wie Donnerhall: »...Für 100 000 Mäuse gehört er ihnen, Sonderpreis... Modell 993 Targa, nur 16 000 km gefahren, irisblaumetallic, Ledersitze in Raffleder nachtblau, Cd-Radio mit digitalem Soundsystem, Sportfelgen, Motorsoundpaket, 286 PS, in 6 Sekunden von Null auf Hundert« ... »Abgemacht« sagt der Rollstuhlfahrer.
»Aber fahren sie vorsichtig«... »Da können Sie Gift drauf nehmen«...
Ende 5
(das versöhnlichste Ende):
Die Entscheidung
(Bühnenstück aufgeführt im Gasthaus Saalachtal anlässlich der Feier meines 50 Geburtstages)
Mitwirkende:
Rollstuhlfahrer
Stimme aus dem Nichts
Chor der Engel
Requisiten ein Porsche
(Nochmal von vorn:)
Der Rollstuhlfahrer steigt in sein Auto. Er startet. Er legt den Gang ein. Er weiß wo er hin will. Er kann seine Beine nicht bewegen. Er bedient das Auto mit Handgas und Handbremse. Er fährt über eine weite Ebene. Die Landschaft wird immer kahler. Die Sonne glüht vom Himmel. Ein Parkplatz am Rande eines Abgrundes. Er hält. Unten ein See. Kein Geländer. Kein Mensch weit und breit. Der See glitzert wie flüssiges Silber. Er lädt seinen Rollstuhl aus. Er fährt nah an die Kante. Der Rollstuhlfahrer sitzt ganz ruhig. Er blickt über den See. Er blickt in die Weite. Die Sonne geht unter. Dämmerung macht sich breit. Es wird kühler. Schwarze Nacht schließlich. Der Rollstuhlfahrer sitzt reglos. Keine Sterne. Kein Mond. Kein Laut. Die Zeit ist stehengeblieben. Er ist allein auf der Welt. Er ist völlig gelassen. Er fürchtet nichts mehr.
Er löst die Feststellbremse des Rollstuhles. Er fährt einen Meter vor. Er stellt die Bremse wieder fest. Ringsherum alles schwarz. Er sieht keinen Boden mehr. Er ahnt die Tiefe. Die Kante das Ende der Welt. Er löst die Feststellbremse noch einmal...
Auf einmal: Leichter Wind kommt auf. Schwarze Wolken ziehen rasch näher. Am Horizont schwefelgelbes Wetterleuchten. Urplötzlich bricht das Inferno los. Die Elemente rasen. Der Wind peitscht. Der Regen praßelt. Die Blitze zucken. Der Donner grollt. Die Lüfte orgeln. Der See brodelt. Die Gischt tost. Die Wellen rollen. Der Boden bebt. Die Erde stöhnt. Das Firmament ächzt. »Mist!... Der Weltuntergang, ausgerechnet jetzt!... Aber Wurscht ist es auch...« denkt sich der Rollstuhlfahrer. Plötzlich Stille. In seinen Schläfen pocht das Blut. Sein Kopf ist voll und leer zugleich. Ihm schwindelt. Der Rollstuhlfahrer schließt die Augen, in Erwartung einer letzten ungeheuren Explosion, die alles in Stücke reißen wird.
Nichts tut sich... »Kruzitürken, wie lang soll das noch dauern... wenn sie schon untergehen muß die Welt, dann bitte gleich!...« Er hört ein Geräusch, hinten, wo sein Auto steht... Er dreht sich um. Neben seinem Auto ein schwarzer Schatten. Er ist wie benommen. Er erkennt ein anderes Auto. Sieht aus wie ein Porsche...
(erhabene Stille)
Plötzlich eine Stimme aus dem Nichts:
Carrera, Targa, Tiptronic, irisblaumetallic, Sitze in Raffleder, Cd-Radio, digitales Soundsystem, 286 PS, Tachostand 16000...
(Stille)
der Rollstuhlfahrer (verdattert) Was ist mit dem Weltuntergang?
Stimme Hat Zeit.
der Rollstuhlfahrer Wäre nett.
Stimme Gefällt er ihnen?
der Rollstuhlfahrer Mein Jugendtraum.
Stimme Hab´ ich mir gedacht.
der Rollstuhlfahrer Der Preis?
Stimme Hunderttausend.
der Rollstuhlfahrer Zu teuer.
Stimme Bei der Ausstattung!
der Rollstuhlfahrer Trotzdem.
Stimme In 6 Sekunden von Null auf Hundert.
der Rollstuhlfahrer Nicht übel.
Stimme Was machen wir jetzt?
der Rollstuhlfahrer Keine Ahnung.
Stimme Wär´ doch was für sie...
der Rollstuhlfahrer Ich nehm´ ihn und fünf Minuten später geht die Welt unter...
Stimme Vielleicht...
der Rollstuhlfahrer Ein Kuhhandel.
Stimme Vertrauen sie mir!
der Rollstuhlfahrer Wäre ewig schade um das Auto.
Stimme Vertrauen ist angesagt.
der Rollstuhlfahrer In das Auto komm´ ich doch gar nicht rein...
Stimme Wenn sie wollen schon.
der Rollstuhlfahrer Behindertengerechter Umbau?
Stimme Kein Problem.
der Rollstuhlfahrer Steuer und Versicherung?
Stimme Werden sie nicht kleinlich jetzt.
der Rollstuhlfahrer Muß sie nicht gleich untergehen, die Welt?
Stimme Nicht unbedingt. Hängt von ihnen ab.
der Rollstuhlfahrer Von mir? Die ganze Welt?
Stimme Nur von ihnen. Sie nehmen ihn und es geht weiter oder sie
nehmen ihn nicht und... Puff!...
der Rollstuhlfahrer (schluckt) Sein oder Nichtsein, die alte Frage.
Stimme Die Mutter aller Fragen.
der Rollstuhlfahrer Vor Verantwortung hab ich mich immer gedrückt.
Stimme So sehen sie aus.
der Rollstuhlfahrer (schweigt)
Stimme Es muß etwas geschehen.
der Rollstuhlfahrer Immer diese Entscheidungen.
Stimme Lassen sie sich ruhig Zeit.
der Rollstuhlfahrer Wie man´s macht, ist´s verkehrt...
Stimme Meistens.
der Rollstuhlfahrer (schluckt)
Stimme Seit 2000 Jahren wartet die Menschheit auf den jüngsten Tag...
der Rollstuhlfahrer Und?
Stimme Die Welt steht in Saft und Kraft wie nie zuvor.
Die Luft erbricht sich fast vor Fruchtbarkeit.
Die Börsenkurse steigen ins Unermeßliche.
Die Propheten haben sich geirrt.
der Rollstuhlfahrer Wenn Sie es sagen...
Stimme Aber jetzt reicht es langsam.
der Rollstuhlfahrer Wenn man bedenkt, was dabei herausgekommen ist.
Stimme Eben.
der Rollstuhlfahrer Der Mensch ändert sich nicht.
Stimme Bringen wir es hinter uns.
der Rollstuhlfahrer Die Ewigkeit naht.
Stimme Die Erlösung steht in´s Haus.
der Rollstuhlfahrer Das schwarze Nichts.
Stimme Schließen sie die Augen! Halten sie sich die Nase zu!
Und halten sie die Luft an! So tun sie sich leichter...
Gleich explodiert das Universum.
der Rollstuhlfahrer Ich bin schmerzempfindlich.
Stimme In Sekundenbruchteilen ist alles vorbei.
Die Atome rasen in das All.
Raum und Zeit zerfallen.
Alles wird wie nie gewesen sein.
der Rollstuhlfahrer Das ist ja ekelhaft.
Stimme Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir.
der Rollstuhlfahrer Wenn ich Blut sehe wird mir schlecht.
Stimme Reißen sie sich zusammen.
der Rollstuhlfahrer Einen Augenblick noch.
Stimme Haltung bitte!
der Rollstuhlfahrer Moment.
Stimme Was wollen sie noch?
der Rollstuhlfahrer Eine kleine Probefahrt.
Stimme Muß das sein?
der Rollstuhlfahrer Bitte darum.
Stimme Gut. Aber in 15 Minuten sind sie wieder da...
Der Rollstuhlfahrer besteigt mit Mühe den tiefergelegten Porsche.
Beim Losfahren quietschen die Reifen.
15 Minuten später
der Rollstuhlfahrer Ich nehm´ ihn doch...
Von oben ertönt laute Orgelmusik.
Ein Lichtstrahl fällt durch ein Wolkenloch und beleuchtet das Porscheauto.
Die Metalliclackierung funkelt in mystischem Glanz.
Chor der Engel Halleluja, Halleluja, Sacklzementhalleluja...
A. H. 12/99


So ein Porsche-Wägelchen macht sich auch im Almgelände ganz gut

Porsche 993:
der letzte Luftgekühlte