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Der Alpe-Adria-Radweg mit dem Handradl

12. – 18. 7. 2020

Salzburg – Grado: 403 km

Höhenmeter rauf: 2417 m

Höhenmeter runter: 2842 m (lt. Bikeline Radführer)

Dauer der Fahrt: 6 Tage/am 7. Tag Rücktransport

Begleitung: keine

Wetter 6 Tage Kurze-Hosen-Wetter
 

Der im Winter gehegte Plan, wenn der Schnee weg ist, bei geeignetem Wetter einen Schlafsack aufs Radl zu schnallen und einfach loszufahren soweit ich komme, irgendwo auf einer Wiese die Nacht zu verbringen und so weiter am nächsten Tag, weicht letztlich der Vernunft. Für einen Rollstuhlfahrer ist das nichts, man braucht doch etwas Gepäck und organisierte Übernachtungen.

Für diese Zwecke gibt es Anbieter. Erst kam noch Corona. Nachdem sich die Lage nach Lockdown entspannt hatte, buche ich bei Pedalo-Radreisen die Alpe-Adria Radtour mit Hotel-Organisation, Gepäck- und Rollstuhltransport sowie Rücktransport.
 

 

11. 7. Anreisetag

Abends bringe ich mein Gepäck zum Hotel nach Salzburg und verdrücke noch eine ordentliche Portion Spagetti. Wenn ich daheim losfahre, was kaum weiter ist, spare ich eine Hotel-Übernachtung. Den ganzen Tag hat es geregnet, auch noch in der Nacht, aber für den nächsten Tag ist gutes Wetter angesagt.
 

 

1. Tag

Bad Reichenhall – St. Johann/Pongau (75 km)

Um 7.30 fahre ich los.

Die Wolken hängen tief, aber der Regen hat aufgehört.

Aus der Tiefgarage raus ists mir irgendwie komisch - will ich wirklich nach Grado? Los geht’s wie immer. Weißbach – Marzoll – die Goiser Felder – Fürstenbrunn – Glanegg – Grödig – Hallein und weiter Salzachaufwärts nach Golling. Bekanntes Gelände. Nach Golling der Anstieg zum Pass Lueg. Zurückhaltende Fahrweise.

Zwischen dem Pass Lueg und Tenneck gibt es keinen Radweg und man muss auf der Straße fahren. Zum Glück ist wenig Verkehr. In Tenneck bleibe ich zum ersten Mal stehen und esse einen Müsliriegel. Es folgt der Anstieg bei der Festung Hohenwerfen. Besser als gedacht geht’s. Von Bischofshofen ists nicht mehr weit nach St Johann. Leider verfahre ich mich und komme auf eine Schnellstraße auf der falschen Seite der Salzach. Die Meldung in den Ö3 Verkehrsnachrichten „Vorsicht Handbiker auf der B 311“ ginge mir gerade noch ab und so drehe ich schnellstmöglich um. Bald darauf komme ich zum Hotel Brückenwirt, ein gastliches Haus. Nachmittag am Pool.
 

 

2. Tag

St. Johann – Untergratschach im Mölltal (60 km)

Nach dem Frühstück geht’s los. Ein schöner Radweg führt das Salzachtal aufwärts in Richtung Schwarzach, wo es laut Beschreibung leicht bergauf zum Ausgleichsspeicher gehen soll. Die Steigung ist aber nicht unerheblich. Vom Speicher weiter geht es abseits aller Straßen rauf und runter am Hang entlang bis zum Straßentunnel ins Gasteiner Tal. Für Radfahrer gibt es einen vom Verkehr abgetrennten Fahrstreifen, die Steigung ist moderat. Erfreulich. Das ging ja besser als gedacht. Ziemlich flach geht’s das Gasteiner Tal hinein. Bad Hofgastein hat sich eine gewisse Mondänität erhalten, hinten im Talschluss Bad Gastein. Da geht es wirklich steil hoch, irgendwo las ich was von 18-20%. Ich denke dass das stellenweise nicht reicht. Egal, auf Asphalt komm ich überall hoch, auch wenn der Schweiß in Strömen rinnt.

Auf der Brücke am berühmten Wasserfall hat man es im Wesentlichen geschafft. Klötze von Hotels stehen überall herum, fast alle leer stehend. Der Verfall ist greifbar. Dagegen ist in Reichenhall der Bär los.

Etwas oberhalb legt sich das Tal zurück. Ein paar Kilometer geht es noch leicht bergauf bis zur Bahnverladung Böckstein - Mallnitz. Als ich auf den Zug warte kommen noch welche daher. Eine Frau meint, sie weiss nicht warum sie sich das antut mit dem Rad. Na ja, immerhin hat sie einen Aku größer als ein Kinderkopf.

Die Bahnfahrt kein Problem. Ich bleibe im Handbike sitzen. Auf der anderen Seite, in Mallnitz, ist man schon in Kärnten. Von hier geht es erst einmal bergab, dann das Tal hinaus bis zum Hotel in Untergratschach.
 

 

3. Tag

Untergratschach – Villach (70 km)

Radwege und wenig befahrene Nebenstraßen. Die Berge werden weniger, zum Schluss geht’s etwas langweilig im flachen Tal Villach zu. Das letzte Stück blöder Schotterweg.

Zum Abendessen gibt’s eine Leberkässemmel am Bahnhofsplatz. Ein paar Penner sitzen herum, denen schaue ich zu. Bieraufnahme aus grünen Dosen, die billigste Marke. Einer versucht einen kaputten Regenschirm zu reparieren, ohne Erfolg, was zu erwarten war. Es gibt immer was zu diskutieren, lautstark, gerade gehen keine leichte Übung. Einer fährt mit dem Rad weg, kommt aber gleich wieder. Als ein paar Migranten auf der Bildfläche erscheinen, missfällt das dem einen Penner. Er beginnt lautstark herumzustänkern, zum Glück nimmt ihn keiner ernst. Trotzdem, um nicht in eine Schlägerei zu geraten, geh ich erst mal ins Hotel.
 

 

4. Tag

Villach – Tarvis mit Bahn 30 km

Tarvis – Venzone 60 km

Einige Zeit überlege ich, ob die Bahnfahrt mit meinem sportlichen Ehrgeiz zu vereinbaren ist, aber was solls, die Karte ist schon bezahlt und etwas Gemütlichkeit kann in meinem Alter auch nicht schaden. Die Fahrt mit dem „MICOTRA-Radzug“ geriet dann zum Wermutstropfen der ganzen Tour. Von behindertengerecht keine Spur. Beim Ausladen des Rades aus dem Radwagon war dann feststellbar, dass die Kette herausgesprungen und unlösbar in der Kurbel verkeilt war, das Vorderrad einen Achter hatte und die Scheibenbremse eierte. Wie ein für Radtransport zuständiger ÖBB-Bediensteter ein Handrad so anfassen bzw. verstauen kann, dass das dabei herauskommt, bleibt ein Rätsel. Nachdem sich alle möglichen Leute mit allen möglichen Werkzeugen erfolglos an der Kette versucht hatten, bleibt nur noch die Hinzuziehung eines Fachmanns. Der kommt dann auch zwei Stunden später und es gelingt mit diversem Werkzeug die Kette frei zu bekommen. Gott sei Dank kann ich weiterfahren. Es folgt eine besonders schöne Etappe auf der alten Bahntrasse nach Pontebba. Gefühlt 30 km geht’s fast nur bergab am Fluss Fella entlang. Die Landschaft ist sehr schön, am alten Bahnhof von Chiusaforte gibt’s Spagetti und ein Vierterl Wein. Bemerkenswert sind noch hunderte Meter lange Tunnels, bei denen das Licht an der Decke über Bewegungsmelder eingeschaltet wird. Die funktionieren aber teilweise nicht, sodass ich stellenweise in totaler Finsternis unterwegs bin, bis das nächste Licht angeht. Nett, italienisch, spielerisch. Irgendwo vor Venzone, von einem Meter auf den anderen, ist der Radweg aus. Eine Provinz hat die Hausaufgaben nicht gemacht beim Radwegprojekt. Man sieht nur noch Büsche, aber eine schmale Spur führt weiter und man kommt auf eine uralte beinahe zugewachsene Straße, mehr Schlaglöcher als Straße, neben der Autobahn. Später geht es auf der Hauptstraße weiter, na ja. Hinter Venzone das Tagesziel, Hotel Willy.
 

 

5. Tag

Venzone – Udine (60 km)

Wenig Erinnerungen an diese Etappe. Man kommt jedenfalls aus den Bergen raus. In Udine fahr ich bißchen rum, schöne Altstadt. Beim Hotel eine nette Überraschung. Mein Rollstuhl ist nicht angekommen. Aber es dauert nur 30 Minuten, dann wird er auch schon nachgeliefert. Am Abend mit den Radkollegen Sandra, Marco, Frank, Reinhold und Manuela beim Pizzaessen.
 

 

6. Tag

Udine – Grado (55 km)

Es dauert, bis man mal aus Udine raus ist. Frank, der im Gegensatz zu mir die Radweg-App heruntergeladen hat, fährt vor. Am Stadtrand verabschiedet er sich, er fährt etwas schneller. Wenn ich mich recht erinnere ging es dann mal ziemlich lang auf einem groben Schotterweg. Eine Beschilderung findet sich auch nicht mehr. Ich fahre nach Gefühl und komme dabei natürlich vom rechten Weg ab. Irgendwann lande ich auf einer vielbefahrenen Straße, wenigstens stimmt die Richtung: Grado. Schließlich komme ich nach Palmanova, wo ich wieder auf Frank treffe und mir auf dem originellen Stadtplatz ein Vierterl genehmige. Am Stadtrand führt mich die Alpe-Adria Beschilderung auf Umwegen durch altes Gemäuer, das da auf Hügeln herumsteht. Das brauch ich jetzt nicht. So beschließe ich der Beschilderung nicht weiter zu folgen, sondern den kürzesten Weg auf vernünftigen Straßen zu fahren. Keine gute Idee. Wieder lande ich auf einer Schnellstraße, aber wenigstens mit breitem Randstreifen. Viele Kilometer findet sich keine Gelegenheit, da wieder wegzukommen. Endlich, kurz vor Aquilea findet sich eine Abfahrt. Im Ort treffe ich immer wieder andere Alpe-Adria Radler, die gerade die Karten studieren. Anscheinend sind alle auf verschiedenen Wegen hierher gelangt. Bei zweien lassen die dreckigen Räder auf längere Schlamm-Passagen schließen. Ab hier gibt es zum Glück keine Probleme mehr mit der Wegfindung. Auf einem schnürlgeraden Radweg geht es neben der Straße die letzten Kilometer nach Grado. Vor mir und hinter mir Gewitterwolken. Plötzlich das Meer. Kaum zu glauben. Ich bin wirklich da.
 

 

7. Tag

Heimfahrt

Mit Bus. Am Alpenhauptkamm beginnt es zu regnen. In Salzburg Dauerregen.

Das war mal wieder Glück.

Fazit: Sechs Tage schönes Wetter, jede Menge verschiedene Landschaften und Eindrücke.

Von einer durchgehenden Beschilderung zu sprechen wäre auf italienischer Seite leichte Übertreibung.




 

 

Bilder

1 Im Salzachtal beim Ausgleichsspeicher. Abseits der Hauptverkehrsstraßen

2 Tunnel ins Gasteiner Tal. Abgetrennte Spur für Radfahrer

3 Am Wasserfall in Bad Gastein

4 Bad Gastein hat seine besten Zeiten lang hinter sich

5 Nach der Bahnverladung auf der anderen Seite des Alpenhauptkammes

6 Gebirgsfluss Möll

7 Möllbrücke Höhe Mühldorf

8 Schöne Wege und wenig befahrere Nebenstraßen im Mölltal

9 Vor Villach wirds flach und etwas öd

10 Nichts ging mehr nach Bahntransport. Der Mechaniker von Lussari-Sport, Tarvis, brachte mein Rad wieder in Schwung

11/12 Pontebba Radweg auf der alten Bahntrasse

1-6 Idealer Radweg mit vielen Tunnels und Brücken durch eine gebirgige Landschaft: Pontebba Radweg

7 Vor Venzone endet der Radweg ganz plötzlich

8 Die Fella, ein klarer Gebirgsfluss

9 Weiter gehts Richtung Udine

10 Hotel Clocchiatti in Udine. Ein Pool ist immer eine Freude

11 Palmanova

12 Die letzten Kilometer

13 Gewitterwolken über Grado

14 Badesaison in Zeiten von Corona

15 Hafen von Grado

  Mein großer Dank gebührt den Alpe-Adria-Radlern

Manuela & Reinhold, Sandra & Marco, wie auch Frank

(nicht im Bild), die am Bahnhof in Tarvis so lange

nicht weiterfuhren bis mein Rad repariert war

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